Medienpädagogik als Schlüsseldisziplin?!
Aufgrund der Digitalisierung unterliegen Lebenswelten inzwischen einer immer grösseren Dynamik. Bildungs- und Teilhabechancen in Schule und Ausbildung, Studium und Erwerbstätigkeit sowie auch im Freizeitalltag sind unter solchen Bedingungen des ständigen Wandels eng an die Fähigkeit geknüpft, medial vermittelte Informationen zu verstehen, gezielt auszuwählen, zu nutzen und – wiederum unter Einsatz geeigneter Medien – zu kommunizieren und weiterzuverarbeiten. Die Medienpädagogik als Reflexions- und Handlungswissenschaft ist zum einen gefordert, Mediatisierungsprozesse hinsichtlich bedingender Faktoren, aktueller Auswirkungen und sich abzeichnender künftiger Entwicklungen auf individueller wie gesellschaftlicher Ebene einzuschätzen und unter pädagogischen Gesichtspunkten zu diskutieren (Reflexionsaspekt). Zum anderen gilt es, pädagogisch relevante Strukturen und Prozesse im Zusammenhang mit Medien aktiv mitzugestalten (Handlungsaspekt) (Pietraß 2018, 12; DGfE Sektion Medienpädagogik Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft 2017, 2). Der Medienpädagogik, so die leitende These des Bandes, kommt innerhalb einer zunehmend digitalisierten und mediatisierten Welt insofern die Rolle einer Schlüsseldisziplin zu.
Anlass zur Publikation des Buches
Das Sammelwerk entstand anlässlich des 60. Geburtstages von Prof. Dr. Dorothee M. Meister, die an der Universität Paderborn den Arbeitsbereich Medienpädagogik und empirische Medienforschung leitet. Ein zentrales Anliegen ihrer wissenschaftlichen Arbeit besteht darin, die Medienpädagogik sowohl durch Theorieentwicklung und empirische Forschung als auch durch die Weiterentwicklung medienpädagogischer Praxis voranzubringen. Zu diesem Zweck vereint sie in ihren Projekten und Publikationen bildungswissenschaftliche und speziell medienpädagogische Perspektiven mit jenen der Bildungspraxis und Bildungspolitik. Dorothee M. Meisters Engagement spiegelt sich in ihren umfangreichen Aktivitäten in Forschung und Lehre an all ihren Wirkungsstätten – Bielefeld, Halle a. d. Saale, Tübingen und Paderborn – wider. Stets griff und greift sie dabei höchstaktuelle Diskussionsfelder auf, um vor diesem Hintergrund neue medienpädagogisch relevante Fragestellungen zu entwickeln und zu bearbeiten. An dieser Stelle sei nur auf jüngste Beispiele, wie etwa die bildungspolitische Debatte um Geflüchtete (Meister 2017) und zuletzt die Diskussion um Distance Education im Zuge der Corona-Pandemie (Gerhardts u. a. 2020), verwiesen. Des Weiteren liegt Dorothee M. Meister die Professionalisierung der Medienpädagogik am Herzen: So macht sie immer wieder auf den besonderen Stellenwert medienpädagogischer Expertise aufmerksam und plädiert dafür, Medienpädagogik systematisch in Studiengängen sowie in der Aus- und Weiterbildung von pädagogischem Fachpersonal zu verankern (Meister 2018; Knaus, Meister, und Tulodziecki 2018; Kamin und Meister 2019). Ihre wissenschaftliche Arbeit wird zudem von umfangreichen berufspolitischen Tätigkeiten flankiert: etwa ihrem Wirken im Vorstand sowie als Vorsitzende der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) e.V., ihrer Mitgliedschaft im Deutschen Kulturrat, ihrer Mitarbeit in der Initiative «Keine Bildung ohne Medien» sowie von ihrer Vorstandsarbeit innerhalb der Sektion Medienpädagogik der DGfE. Wichtige und nachhaltige Impulse für die Digitalisierung von Studium und Lehre entstanden durch ihr Wirken als Vizepräsidentin der Universität Paderborn sowie durch die Mitarbeit im Hochschulforum Digitalisierung. Die Beiträge dieses Buches spiegeln Dorothee M. Meisters Forschungs- und weitere Arbeitsschwerpunkte in ihrer Breite inhaltlich und methodisch wider.
Die Herausgeberinnen sind Dorothee M. Meister seit langer Zeit und in ganz besonderer Weise verbunden: sei es durch ihre Betreuung im Rahmen von Dissertationsvorhaben, durch das Verfassen gemeinsamer Publikationen oder die Zusammenarbeit in Forschungsprojekten. Ihre Begleitung, Förderung, Unterstützung und Wertschätzung zeigt sie in diesen Kontexten in vielfältiger Weise. Dafür gilt Dorothee M. Meister an dieser Stelle unser herzlicher Dank.
Aufbau des Buches
Das Buch gliedert sich in vier thematische Bereiche:
Sechs Beiträge sind unter der Rubrik «Theoretische Diskurse und Theorieentwicklung der Medienpädagogik» zusammengefasst. Den Anfang bildet der Beitrag von Christian Swertz zum Wert der Medien in medienpädagogischen Biografien. Die Beiträge von Horst Niesyto sowie Sonja Ganguin, Johannes Gemkow und Rebecca Haubold setzen sich mit dem für die Medienpädagogik konstitutionellen Begriff der Medienkritik auseinander. Bianca Burgfeld-Meise beschäftigt sich mit dem Wandel von Medienbildungskulturen. Theo Hugs Beitrag stellt eine Auseinandersetzung mit Mobile Learning dar. Den Abschluss des Blocks bildet ein Essay von Renate Möller und Uwe Sander zu Mythen in Film und Jugend.
Im nachfolgenden Abschnitt «Aktuelle Aufgabenfelder der Medienpädagogik» thematisieren Henrike Friedrichs-Liesenkötter und Friederike von Gross (Social Media im Übergang von Kindheit zu Jugend), Johannes Magenheim (Big Data) sowie Charlotte Echterhoff und Sonja Kröger (OER) aktuelle gesellschaftliche und für die Medienpädagogik relevante Phänomene.
Der dritte Bereich «Medienpädagogische Professionalisierung und Qualitätssicherung in medienpädagogischer Praxis und Forschung» umfasst sechs Beiträge: Thomas Kurtz setzt sich mit der Professionsentwicklung der Medienpädagogik auseinander. Anna-Maria Kamin beschäftigt sich mit der Weiterentwicklung von entwicklungs- und gestaltungsorientierter Forschung. Einen weiteren methodischen Beitrag liefert Lara Gerhardts, indem sie empirische Verfahren zur Erfassung von Umgangsweisen mit dem Internet vorstellt und hinsichtlich ihres Erkenntnispotenzials für die medienpädagogische Forschung vergleicht. Lukas Dehmels Beitrag befasst sich mit der Professionalisierung des medienpädagogischen Erwachsenenbildungspersonals. Das Feld der Lehrerinnen- und Lehrerbildung thematisieren Gerhard Tulodziecki und Silke Grafe in ihrem Beitrag zu Kompetenzerwartungen an Lehrkräfte; ebenso wie Bardo Herzig und Alexander Martin, die sich mit dem Verhältnis von Medienpädagogik und Fachdidaktik auseinandersetzen.
Der letzte Abschnitt des Buches umfasst drei Beiträge, die sich mit Medienpädagogik und Hochschulentwicklung beschäftigen. Diana Bücker und Iris Neiske entwerfen Perspektiven zur Verbindung von E-Learning und Hochschuldidaktik. Das Feld der E-Lehrkompetenzen wird von Niclas Schaper aufgegriffen. Den Abschluss bildet der Beitrag von Marcel Graf-Schlattmann, Gudrun Oevel und Melanie Wilde welche Ergebnisse des von Dorothee M. Meister mitinitiierten und geleiteten Projektes E-Assessment NRW vorstellen.
Eine detailliertere Zusammenfassung der Beiträge ist den jeweiligen Abstracts sowie den Videostatements zu entnehmen.
Unser Dank gilt allen Autorinnen und Autoren für ihre engagierte Beteiligung und die gelungenen Beiträge zu dieser Festschrift. Die Autorenschaft besteht aus vielen Weggefährtinnen und Weggefährten von Dorothee M. Meister. Alle Beiträge durchliefen im Sinne der Qualitätssicherung einen Peer-Coaching-Prozess.
Zu guter Letzt wünschen wir allen Leserinnen und Lesern eine anregende Lektüre – insbesondere natürlich Dorothee M. Meister, verbunden mit den besten Wünschen zu ihrem Geburtstag!